2011 – 2019: Zunehmendes Regulierungsgestrüpp und Teilrückzug
2011 ersetzt die SBB ihre Sicherungsanlagen im Bahnhof Hinwil; das bisherige Bruchsal H war das letzte mechanische Stellwerk im Bereich der Zürcher S-Bahn. Fortan entfällt die personelle Besetzung, was auch für die Dampfzüge ein neues Regelwerk erfordert. Für die nächsten sieben Jahre muss der Bäretswiler Statiönler nun jeweils bei einer bevorstehenden Dampfbahnfahrt am Bahntechnikgebäude in Hinwil einen Schlüssel beziehen, mit dem sich in Bäretswil eine Entgleisungsvorrichtung abklappen lässt.
Seit 2011 ist die Inbetriebsetzung von Triebfahrzeugen ohne Zugbeeinflussung grundsätzlich verboten, resp. sie muss auf geeignete Strecken wie Bauma-Hinwil beschränkt bleiben oder im Einzelfall speziell genehmigt werden. Dies verkompliziert die Administration massiv. Kurz vor Torschluss kommt noch die Ee 3/3 16363 als zweite Elektrolok in den Vereinsbestand, wobei ihr betrieblicher Wert aufgrund der Geschwindigkeit von nur 40 km/h von Anfang an prekär ist. 2012 geht der DVZO deshalb ein langfristig erfolgreiches Zweckbündnis mit dem Dampfloki-Club Herisau ein, der mit seiner Eb 3/5 9 über eine 75 km/h schnelle Dampflok mit Zugbeeinflussung verfügt und an seinem Heimatstandort aus Platzgründen von der Südostbahn vor die Tür gewiesen wird. In Bauma erhält die flexibel einsetzbare Lok ein neues Obdach, wobei sie ihren Stammzug «Amor-Express» inklusive Leistungsauftrag der SOB zur Pflege des Zuges gleich mitnimmt. Die fünf bunten Wagen nach farblichem Vorbild der Spanisch-Brötli-Bahn sorgen für gewisse Irritationen bei Vereinsmitgliedern und Publikum, weil man sich beim DVZO mit wenigen Ausnahmen reenactmentmässig perfekt in den Ursprungszustand zurückversetztes Rollmaterial gewohnt ist. Die ungewöhnlich eingerichteten Fahrzeuge finden dann aber mittelfristig doch willkommene Aufnahme.
Der Einsatz langsam fahrender Dampfloks ausserhalb Bauma-Hinwil wird nicht nur administrativ, sondern auch betrieblich immer schwieriger, weil die SBB ihre verbliebene Infrastruktur konsequent auf die Durchführung des Fahrplangebots ausrichtet. Von Extrazügen genutzt werden können zumeist nur Dienstgleise ohne Perron, im Ausnahmefall bestehen Restkapazitäten insbesondere ausserhalb der Hauptverkehrszeiten. Auf manchen Abschnitten sind Höchstgeschwindigkeiten von 60 oder gar 80 km/h erforderlich, um überhaupt noch eine Trassenzuteilung zu erhalten. Der Revisionsstandort Uster etwa lässt sich mit den langsamen Dampfloks seit 2016 nur noch nachts zwischen 00h und 05h erreichen.
Ein starker Einschnitt im Vereinsbetrieb ist die verhältnismässig spät erfolgende Sanierung der SBB-Tösstalstrecke, die 2014 auch im Bahnhof Bauma eine radikale Vereinfachung der Gleisanlagen mit sich bringt. Was ausser einem elektrifizierten Perrongleis und einem nur dienstlich nutzbaren Kreuzungsgleis noch bleibt, muss der DVZO als zwischenzeitlich deselektrifizierte Anlagen in seine Betriebshoheit übernehmen: die Kopfgleis-Gruppe und das Depotareal mit seinem Gleisvorfeld. Die zentralisierte Betriebsführung geht – durchaus zu Gunsten der Betriebsstabilität – vom örtlichen Statiönler zur Betriebszentrale Ost im Flughafen Zürich über. Schmerzhaft ist jedoch der Verlust der Strassenzugänglichkeit des Lokdepots, das zunächst im Baurecht und rund 10 Jahre später ins Eigentum des DVZO übergeht. Die Logistik grösserer Objekte muss nun auf den ersten resp. letzten Metern per Schiene erfolgen.
Die seit den Nullerjahren legendären jährlichen Fahrzeugtreffen werden mit der neuen Anlage noch vier Mal durchgeführt, aber der mühsame Betrieb auf der kastrierten Anlage bringt alsbald den Verleider.
Nach wie vor ist der Verein aber auch zu ausserordentlichen Leistungen fähig. Christoph Rutschmann, ein weiterer Sohn des früheren Obermaschineningenieurs, verantwortet als Projektleiter den Transfer der früheren Basler Bahnhofshalle von 1860 im Schweizer Holzstil, die ihren hundert Jahre langen Dornröschenschlaf als Zweitnutzungs-Industriebau in der SBB-Hauptwerkstätte Olten beendet und für die Drittnutzung fast zentimetergenau auf den Platz der Baumer Kopfgleisgruppe passt. Mit Eröffnung der Halle geht 2015 der 40-jährige Traum in Erfüllung, dem historischen Wagenmaterial einen geschützten Abstellplatz zu bieten. Drei mal 100 Meter stehen zur Verfügung. Dass die Halle auch optimale kundendienstliche Voraussetzungen schafft und nicht ein unansehnlicher Blechschopf, sondern ein Baudenkmal von nationaler Bedeutung ist, macht die Sache perfekt. Die statisch gebotene «Halle in der Halle» bleibt optimal getarnt, sichtbar ist praktisch nur die originale resp. nach Originalplänen rekonstruierte Substanz.
Erneut wird das Risiko an den Bahnübergängen zum nationalen Thema. Das BAV verlangt nun ultimativ die «Sanierung» derjenigen Übergänge, die nicht aufgehoben werden können. Zwischen Hinwil und Bäretswil senkt die SBB die zulässige Streckengeschwindigkeit und rüstet den Hinwiler Dorf-Übergang mit Barrieren aus, während der DVZO auf seinem Streckenabschnitt drei weitere Barrierenanlagen baut. Eine Streitfrage über die Zulässigkeit von Strassenverkehr an einem weiterhin nur passiv gesicherten Übergang beschäftigt auch das Bundesverwaltungsgericht, inklusive Augenschein in Begleitung von interessierten Gästen aus dem Königreich Bhutan.
2017 wickelt der DVZO unter anderem mit sieben temporär angestellten Vereinsmitgliedern den bislang letzten Grossauftrag ab. Für das Bäretswiler Freilichtspiel «Spinnen im Neuthal» bringen zwei Dampfzüge an rund zwanzig Abenden im Spätsommer zwischen 18h und 24h die Besucher von Bauma zu den Schauplätzen in Bäretswil und Neuthal.
Allenthalben werden nun immer mehr Bereiche der Bahnbranche reguliert, wo vorher Erfahrung und gesunder Menschenverstand ausreichten. Erstere fällt zunehmend dem Trend zur biografischen Flexibilität zum Opfer, letzterer erträgt sich nicht mit dem Trend zur fortschreitenden Juristerei in allen Lebensbereichen. In solchem Gestrüpp braucht es viel Erfahrung, Fingerspitzengefühl und bisweilen eine Portion Chuzpe wie weiland beim Obermaschineningenieur Rutschmann, um Risiken richtig einzuschätzen und entweder zu akzeptieren oder mit angemessenen Massnahmen zu minimieren. Fehlt diese Einstellung bzw. Kompetenz, wird zum persönlichen Selbstschutz allzu gern das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Diese Reaktion lässt sich sowohl bei Beamten der Aufsichtsbehörden wie bei professionell oder laienmässig agierenden Verantwortungsträgern der Bahnen beobachten. Hinzu kommt, dass das einst zur Nutzung der Restlebensdauer herangeschaffte museale Rollmaterial irgendwann halt doch das Lebensende erreicht und entweder auszurangieren oder mit sehr hohem Aufwand zu totalsanieren ist, wozu dann häufig das Geld fehlt. In Kombination dieser beiden Phänomene kommt es während der 10er-Jahre vermehrt zur bisweilen überraschenden Ausserbetriebsetzung von Anlagenteilen. Ende 2011 etwa stellt die SBB auf ihrer Strecke Hinwil – Bäretswil eines Sonntagmorgens um 06:30 Uhr für ein gutes Jahr den Fahrstrom ab, nachdem der verantwortliche Anlagenmanager seine Vorgesetzten immer wieder auf die Mankos der Fahrleitung hingewiesen, aber die zur Sanierung nötigen Mittel nicht bekommen hatte. Der DVZO-Betrieb verkompliziert sich dadurch massiv. Eine andere Zielscheibe sind die Wagenachsen mit Speichen, die sich schlechthin nicht mit den gängigen Verfahren untersuchen lassen resp. dort systematisch durchfallen. Der DVZO findet schliesslich einen Kompromiss mit der Geschwindigkeitseinschränkung für die nach wie vor mit Speichenrädern ausgerüsteten Wagen und dem kostspieligen Totalersatz der Achsen bei den anderen Wagen.
Die europäische ECM-Verordnung wiederum fordert für die Qualitätssicherung im kontinentalen Hauptnetz eine strenge, lückenlos rückverfolgbare Rollmaterial-Instandhaltungsadministration, und aufgrund des Landverkehrsabkommens gilt diese Norm auch in der Schweiz vollumfänglich. Wer die Unklarheit, ob historische Wagen oder einzelne ihrer Komponenten auch unter diese Regeln fallen, «auf die sichere Seite» beantwortet, nimmt die betroffenen Stücke auch vor dem faktisch indizierten Lebensende aus dem Betrieb. Ende des Jahrzehnts sind als Folge dieser Trends weniger Lokomotiven und Wagen in Betrieb als noch zu dessen Beginn – und das trotz des durchwegs gewaltigen Engagements der Baumer und Ustermer Technikgruppen.
2015 fährt die E 3/3 10 ihre letzten Meter aus eigener Kraft. Die Substanz ist zu stark abgezehrt. Später wird sie ihre noch brauchbaren Teile an die 2018 – 2023 erneut aufgearbeitete Halbschwester 8518 abgeben und dann auf einen Denkmalsockel in Uetikon, ihrer ehemaligen Wirkungsstätte wandern.
Nicht besser ergeht es der bald 130-jährigen Lok «Schwyz». Nach der bereits 2007 beendeten Revision in Balsthal zunächst noch einmal für «Garantie- und Nacharbeiten» in der Ustermer Werkstatt, steht die ausgeprägte Bergmaschine zwar ab 2012 einige Jahre im harten Betriebseinsatz. 2020 muss sie aber zustandsbedingt wieder abgestellt werden. Anfang 2018 auch für die Be 4/4 15 zumindest vorübergehend Schluss.
Die seit Jahrzehnten angekündigte (aber bis heute nicht eingetretene) Obsoleszenz der schweizweit letzten in Betrieb stehenden Bruchsal-Weiche im Baumer Depotareal beflügelt seit den 90er-Jahren Ideen, ersatzweise die 1875-1947 hier liegende Drehscheibe zu rekonstruieren. Eine 2001 in Winterthur ausgebaute und bereits halb restaurierte Brücke lässt sich wegen den zwischenzeitlich verfügten Restriktionen der SBB definitiv nicht einbauen, als Ersatz wird 2013 die kürzere Brücke der Oerliker Drehscheibe herangeschafft. Aus dieser Keimzelle entwickelt Florian Vogel ab 2016 zusammen mit zumeist eigens hierfür rekrutierten Aktivmitgliedern ein veritables Arealentwicklungsprojekt unter Beteiligung der SBB Immobilien und des Kantons. Neben die Drehscheibe sollen unter anderem ein Kohlenkran, ein Güterschuppen, eine Passerelle, eine historische Fahrleitungsanlage und ein Rangierstellwerk kommen, dazu die neu trassierte strassenseitige Erschliessung des Areals. Das zunächst optimistisch «Depot 2020» genannte Vorhaben wird aber noch eine lange Entwicklungsgeschichte vor sich haben.
Eine positive Perspektive ergibt sich für die Zukunft der Hausstrecke 2018 insofern, als das BAV der SBB das Eigentum an der Linie Hinwil – Bäretswil entzieht und der Sursee-Triengen-Bahn (ST) als Infrastrukturbetreiberin überlässt. Grund für den Handwechsel ist die unerfüllte Forderung der SBB, die nach der Sanierung 2012 substanziell wieder in gutem Zustand befindliche Fahrleitungsanlage unbesehen davon unverzüglich nach zeitgemässen Normalien neu zu bauen, weil der bestehende Typ nicht in ihr Portefeuille passe; im Gegensatz dazu erklärt sich die ST bereit die bestehende Fahrleitung weiterzubetreiben. Mit wohlwollender Zustimmung des BAV verpachtet nun der DVZO seinerseits den Streckenteil Bauma – Bäretswil an die ST, die so als Infrastrukturbetreiberin der Gesamtstrecke fungiert. Der DVZO ist zwar dadurch auf eigenem Grund und Boden trassengebührenpflichtig, kann aber im Gegenzug die hohen Aufwände zum Unterhalt der Gleisanlagen und Ingenieurbauten fürderhin einsparen. Die betriebliche Zuständigkeit geht im Auftrag der ST an die Betriebszentrale der SOB, und der tägliche Schlüsselbezug in Hinwil verschwindet wieder.
Für die Erlangung der Sicherheitsbescheinigung erhöhen die europäischen Regelwerke die Anforderungen so stark, dass der DVZO forfait gibt, vorübergehend auf den Status als eigenständiges EVU verzichtet und sich im Jahr seines 50-Jahr-Jubiläums unter die Fittiche des EVU Transrail stellt. Im selben Jahr geht erstmals seit 1991 das Präsidium in neue Hände über, und der Verein versucht sich in einer Organisationsreform neue Strukturen mit klar getrennten strategischen und operativen Verantwortlichkeiten zu geben.