1992 – 1999: Zweites Aufblühen und letzte Jahre unter der SBB

Die SBB muss sparen, alte Bande lösen sich auf. Der DVZO geniesst allmählich mehr Freiheiten, bleibt aber vorerst ein Anhängsel und damit in den Zwängen des Regiebetriebs SBB. Der Zweizugbetrieb wird etabliert und das Extrafahrtengeschäft ausgeweitet. Für die Fahrzeugrevision steht ab 1994 die Lokremise Uster zur Verfügung. Im Zuge der Bahnreform brechen die Grundlagen der bisherigen Zusammenarbeit mit der SBB schliesslich vollständig weg.

Mit neuen Kräften zu neuen Ufern: 1992 stehen mit Abschluss der zweiten Totalsanierung der Ed 3/4 2 zwei Dampfloks zur Verfügung, und erstmals ist ein fahrplanmässiger Zweizugbetrieb im Angebot. Zwar vorerst nur an sechs der zwölf Fahrsonntage und nur mit zwei weiteren Zugpaaren, aber immerhin. Und der bereits seit 1983 für Extrafahrten zur Verfügung stehende Buffetwagen ist ab der Saison 1994 auch in den öffentlichen Zügen eingereiht, jedoch noch bis 2010 nur im zunächst noch weniger häufig fahrenden «zweiten Zug». 1997 kommt nach mehrjähriger Totalrevision auch der Tiger E 3/3 8518 als dritte betriebsfähige Dampflok in den aktiven Bestand, wo er für die nächsten 20 Jahre mehr oder weniger zuverlässig verbleiben wird.

1993 reduziert die SBB in Bauma die Stationsarbeiter-Touren. Es besteht am Abend und samstags keine Möglichkeit mehr, Wagen rangieren zu lassen. Weil dies mit der Draisine schon nicht so optimal zu handhaben ist, bekommt der DVZO von der SZU den Rangiertraktor «Giraff», der idealerweise auch mit einem kleinen Kran ausgerüstet ist. Für die nächsten 15 Jahre ist dieses Dienstfahrzeug ein zentrales Produktionsmittel in Betrieb, Technik und Infrastruktur. Die Überfuhrlok Be4/4 13 alias SZU 49 bleibt nach ihrer kurzen Zwischennutzung im Sihltal gleich in Bauma. Sie wird aber nur wenige Male zusammen mit oder anstelle ihrer Schwester 15 verwendet und dann wegen Revisionsfälligkeit abgestellt. Später geht sie als gemeinsam genutzte Ersatzteilspenderin zur Eurovapor Sulgen.

Ein Jahr nach dem 25-Jahre-Jubiläum kann der DVZO seine Lokrevision vom peripher gelegenen und ungeheizten Standort Wil SG in die vom Kanton Zürich totalsanierte Lokremise Uster verlegen – ein nachhaltig positiver Glücksfall. Einziger Wermutstropfen ist eine zunehmende Ausdifferenzierung zwischen Technik und Betrieb. Während früher die gleichen Leute im Winter am Rollmaterial arbeiteten und dieses im Sommer betrieben, gibt es nun in der Werkstatt ganzjährig etwas zu tun. Wem die Arbeit im Betrieb zu mühsam ist, lässt das revidierte Rollmaterial ziehen und erwartet das abgewirtschaftete zurück. Wem die Strapazen in der Werkstatt zu gross sind, nimmt das aufgearbeitete Rollmaterial in Empfang und gibt das kaputte ab. Beiden aber fehlt der Bezug zur jeweils anderen Welt, und die fehlende Erfahrung begünstigt auf beiden Seiten Blindleistung.

Die Zusammenarbeit mit der SBB gestaltet sich zunehmend mühsamer. Marketingleute und Finanzcontroller mit bisweilen erratischem Hang zur Selbstherrlichkeit gewinnen Oberhand, während pragmatisch-initiative Techniker und Ingenieure verschwinden. Das vollmundig propagierte Charterzug-Angebot «Daydreamer» für Elektrofahrten im Weinland kommt nur eine Handvoll Male zur Ausführung. Zur Durchsetzung kommt hingegen die Warnwesten-Tragpflicht, die 1995 als Folge einiger schwerer Unfälle im Rahmen einer langfristig erfolgreichen Sicherheitsoffensive unternehmensweit verfügt wird und folglich auch für den DVZO gilt. Im Übrigen wissen die neuen Kräfte bei der SBB mit der Dampfbahn ebenso wenig anzufangen, wie sie deren Risiken einschätzen können. Also folgt im Zweifelsfall der Rückgriff auf ein Verbot. Dampfzüge sind abgesehen von der Hausstrecke grundsätzlich nur noch im Tösstal erlaubt, denn es könnten ja – Gott bewahre – die halbstündlich bis stündlich verkehrenden S-Bahnen jenseits von Winterthur oder Rüti ZH in ihrem Lauf gestört werden. Nicht einmal auf die UeBB-Reststrecke Bubikon-Wolfhausen darf der DVZO vorstossen, denn das SBB-Fahrplanbüro erachtet die 15-minütige Zugspause der S5 zwischen Rüti ZH und Bubikon als zu knapp. Auf Fürsprache von Glarner Politikern in Bern erlaubt die SBB ausnahmsweise immerhin einige lukrative und interessante Betriebswochenenden auf der Strecke Ziegelbrücke – Linthal. Die Überfuhren sind aber elektrisch durchzuführen.

Anstelle der Billettanteile treten 1998 Pauschalen pro geführten Zug, womit auch das Halbtax-Abo keinen Rabatt mehr gibt. Mehr und mehr auch sonstige Handreichungen der SBB werden nun verrechnet, und je nach Personalsituation der SBB muss der DVZO versuchen die Einteilungslücken im Lokpersonal mit pensionierten Kollegen selbst zu füllen. Um das zusätzlich benötigte Geld zu verdienen, lockert der Verein die bisherigen Restriktionen für Extrafahrten und bietet gegen entsprechenden Zuschlag Fahrten auch unter der Woche oder an einem dampfbahnfreien Wochenende an.

Auf der immer noch der SBB gehörenden Hausstrecke geniesst der DVZO alsbald viele Freiheiten. Neben dem 1996 pseudomuseal neu eingerichteten Handbarrieren-Posten Neuthal entsteht 1998 an der Hauptstrasse Bussenthal eine zeitgemässe halbautomatische Barrierenanlage, und die weiteren Niveauübergänge werden wieder mit Andreaskreuzen ausgerüstet. Das einst im Vereinsleben zentrale Ressort Strassenwache mutiert so zum aufgabenmässig stark verkleinerten und bisweilen etwas verschupften Ressort Barrierendienst. Allenthalben tauchen historische Zugsignale, Abläutglocken und Wärterbuden in grosser Zahl an der Strecke und in den Bahnhöfen auf.

Die jahrzehntelange Vernachlässigung der Gleisentwässerung führt gegen Ende des Jahrzehnts unterhalb der Neuthaler Brücke und oberhalb des Böl-Viadukts zu grösseren Hangrutschungen mit nachfolgender Streckensperre. Beide Stellen muss die SBB als Werkeigentümerin noch einmal auf ihre Kosten sanieren; der Dampfbahn-Betrieb wird jeweils vorübergehend auf die Strecke Bauma – Wald verlegt.

In der Saison 1999 produziert der DVZO den Zweizugbetrieb erstmals durchgehend an allen 12 Sonntagen, und die dreistündige Mittagslücke verkürzt sich mit einem sechsten Zugpaar genauso wie die bisherige, für das Vereinsleben zentrale Mittagspause des Personals; ersatzweise trifft man sich seither vermehrt zum gemeinsamen Nachtessen im Anschluss an den Fahrtag. Bei diesem Fahrplanschema bleibt es nun für mehr als 20 Jahre.

Die in zwei Schritten durchgeführte Bahnreform nach europäischer Vorgabe zerschlägt die bisherigen Strukturen der SBB, die sich 1999 vom Regiebetrieb zur spezialrechtlichen Aktiengesellschaft wandelt. Für den erwachsen gewordenen Verein ist dies eine Chance zur Emanzipation und Entfaltungsoffensive unter Nutzung der Eigenverantwortung.