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Christoph Maag verstorben

Christoph Maag verstorben

Bild : Reto Trit­ti­bach, Text : Jürg Hauswirth

Am 18.10.2022 ist Chris­toph Maag kurz vor sei­nem 87. Geburts­tag in Zürich ver­stor­ben. Mitt­ler­wei­le ist es wohl eine Min­der­heit der Akti­ven, die ihn noch im Dienst erlebt und ent­spre­chen­de (gele­gent­lich zwie­späl­ti­ge) Erin­ne­run­gen an ihn hat. Es lohnt sich aber, sei­ner in einem etwas län­ge­ren Bericht zu geden­ken, hat er doch den Ver­ein ab Mit­te der Acht­zi­ger­jah­re wäh­rend zwei Dez­en­ni­en sowohl ope­ra­tiv wie stra­te­gisch und auch sozi­al geprägt wie nur wenig ande­re. Zunächst eine Kurz­fas­sung der Wür­di­gung, frei nach einem Begräb­nis­ri­tus der Habsburger :

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« Wer klopft an ? »

« Dipl. Ing. ETH Maag : Chef des kan­to­na­len Amts für Abfall, Was­ser, Ener­gie und Luft ; Abtei­lungs­kom­man­dant der Artil­le­rie ; Mit­glied der Linth­kom­mis­si­on ; Ver­wal­tungs­rat ; Ver­eins­prä­si­dent ; Vor­stands­mit­glied ; Dampf­lok­hei­zer ; Lok­füh­rer ; Chef der Bahn­in­fra­struk­tur Bau­ma – Bäretswil »

« Wir ken­nen ihn nicht ! »

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« Wer klopft an ? »

« Chris­toph Maag, Ver­eins­ka­me­rad ; mass­ge­ben­der Bera­ter beim Kauf der Bahn­stre­cke Bau­ma-Bärets­wil ; zwei­fa­cher Sanie­rer der Neu­tha­ler Brü­cke und wei­te­rer Inge­nieur­bau­wer­ke an der Stre­cke Bau­ma-Bärets­wil ; Sanie­rer des Bahn­über­gangs Bus­sen­thal ; Initi­ant und Erbau­er des Bar­rie­ren­pos­tens Neu­thal ; Restau­ra­tor von mecha­ni­schen Signa­len und Abläut­wer­ken ; Ret­ter des Stell­werks Utt­wil, heu­te Bärets­wil ; Ideen­ge­ber für die Dreh­schei­be Bau­ma ; beharr­li­cher Ver­fech­ter des wei­te­ren Muse­ums­be­triebs auf der Linie Bau­ma-Hin­wil ; Kri­ti­ker des Vor­stands ; Beko­cher der Mann­schaft ; Orga­ni­sa­tor von Objekt­ret­tun­gen, Betriebs­an­läs­sen, Vereinsreisen »

« Wir ken­nen ihn nicht ! »

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« Wer klopft an ? »

« Chris­toph, ein sün­di­ger Mensch mit all sei­nen Ecken und Kanten »

« Er soll hereinkommen ! »


Wer will, mag nun auch die Lang­fas­sung lesen.

Schon als Kind war Chris­toph Maag von der Eisen­bahn fas­zi­niert. Ähn­lich wie ande­re Zeit­ge­nos­sen bekam der klei­ne Chris­toph prä­gen­de Ein­drü­cke bei sei­nen Besu­chen im Mei­le­mer Bar­rie­ren­pos­ten See­hal­den­weg, der die direk­te Ver­bin­dung zwi­schen Dorf und Fried­hof her­stell­te und nah an sei­nem Eltern­haus lag. Die­ses war durch­aus nicht klein‑, son­dern gut­bür­ger­lich. Vater war beim Kan­tons­ka­der in der Stras­sen­ver­wal­tung beschäf­tigt ; beim Ein­kauf der mög­lichst gera­den und gesun­den Stäm­me für Telefon‑, Strom­lei­tungs- und Later­nen­mas­ten nahm er den klei­nen Chris­toph jeweils mit, der bei die­ser Gele­gen­heit das ziel­ori­en­tier­te Feil­schen und Ver­han­deln von der Pike auf erlern­te. Gan­ze Nach­mit­ta­ge aber ver­brach­te der Drei­kä­se­hoch bei den Bar­rie­ren­frau­en an der See­hal­den­stras­se. Ver­heis­sungs­voll kün­de­te der Klang der Abläut­glo­cke von einer bevor­ste­hen­den Zug­fahrt. Mit der Hand­kur­bel betä­tig­te die Wär­te­rin den Schlag­baum, und das nahe Ein­fahr­si­gnal mit sei­nen Draht­zü­gen ging klap­pernd auf Fahrt. Chris­toph bestaun­te die vor­bei­fah­ren­den De4/4 der « Arbei­ter-Pull­mans », die Ae3/6 der Eil­zü­ge, die Be4/6 oder Ce6/8 der Stück­gut­zü­ge und gele­gent­lich auch eine Dampf­lok, die ent­we­der wegen zu wenig Strom oder wegen zu wenig Elek­tro­loks ihren Hilfs­dienst auf der bereits 1927 elek­tri­fi­zier­ten Recht­suf­ri­gen ver­rich­te­te. Selbst­re­dend wur­de Loko­mo­tiv­füh­rer zum obers­ten Berufs­ziel des Jüng­lings und blieb es auch über die Schul­zeit hin­weg. Da es hiess, hier­für müs­se zunächst eine mecha­ni­sche Leh­re absol­viert wer­den, heu­er­te der Bur­sche nach der Sekun­dar­schu­le bei der Maschi­nen­fa­brik Oer­li­kon MFO an, die damals in der Bahn­in­dus­trie eine Haupt­rol­le spiel­te und als Part­ne­rin der SLM soeben mit dem Bau der Ae6/6‑Gotthardloks begann. Als es nach Lehr­ab­schluss und absol­vier­ter RS zum Vor­stel­lungs­ge­spräch bei der Abtei­lung Zug­för­de­rung der SBB-Kreis­di­rek­ti­on III ging, war dort grad eine Zeit mit aus­rei­chend viel Bewer­bern. Des­halb wur­den gleich ein­mal alle Bril­len­trä­ger ohne wei­te­re Eig­nungs­prü­fun­gen pau­schal aus­sor­tiert, dar­un­ter auch der hoff­nungs­fro­he Chris­toph. Die­sen zunächst schwe­ren Schlag nahm er aber als Chan­ce zu Höhe­rem. Er hol­te sogleich auf dem zwei­ten Bil­dungs­weg die Matu­ra nach und absol­vier­te ein ETH-Bau­in­ge­nieur­stu­di­um. Gleich­zei­tig mach­te er im Mili­tär Kar­rie­re, wo er es bis zum Major der Artil­le­rie brach­te und von den Mut­pro­ben der Offi­ziers­schu­le eine lebens­lan­ge Schwer­hö­rig­keit mit­nahm. Auch die Grün­dung einer Fami­lie mit vier Kin­dern gehör­te zur bür­ger­li­chen Lauf­bahn. Beruf­lich wand­te er sich von der Bahn weg und, wohl auch fami­li­är bedingt, der kan­to­na­len Ver­wal­tung zu, wo er schliess­lich zum Chef des Amts für Was­ser­bau und Gewäs­ser­schutz (heu­te Amt für Abfall, Was­ser, Ener­gie und Luft AWEL) hoch­stieg, hier­ar­chisch nur eine Stu­fe unter dem Regierungsrat.

Als sein jüngs­ter Sohn der väter­li­chen Auf­sicht nicht mehr bedurf­te, besann sich Chris­toph auf sei­ne alte Lei­den­schaft und mel­de­te sich als Aktiv­mit­glied beim DVZO mit dem erklär­ten Ziel, mög­lichst bald die Dampf­lok­hei­zer-Kar­rie­re ein­zu­schla­gen. Zur dama­li­gen Zeit war dies das höchs­te der Gefüh­le für Lai­en ; als Lok­füh­rer durf­ten nur Pro­fis und allen­falls Pen­sio­nier­te amten. Dies hiess zunächst zwei Jah­re lang Dienst als Lok­be­treu­er und Werk­statt­put­zer leis­ten, und dass er das vor­ei­lig gekauf­te gestreif­te Über­g­wänd­li fort­an nur noch für Gar­ten­ar­bei­ten nut­zen durf­te, weil das Beklei­dungs­re­gle­ment für Hei­zer dezen­tes Dun­kel­blau vor­schrieb, steck­te er mit der ihm eige­nen Leut­se­lig­keit weg. Trotz sei­ner hohen zivi­len und mili­tä­ri­schen Posi­ti­on (die damals noch etwas zähl­te) fiel ihm kein Zacken aus der Kro­ne, in Werk­statt und Betrieb voll moti­viert auch schmut­zigs­te und schein­bar nie­ders­te Arbeit zu ver­rich­ten. Gleich­zei­tig war er sei­nen Gspän­li dort ein guter Kame­rad. Par­al­lel dazu aber dien­te er dem Ver­ein auch sogleich mit Orga­ni­sa­ti­ons­ta­lent und gros­sem Bezie­hungs­netz, als es ab 1986 zum ers­ten Mal dar­um ging, die schnell maro­der wer­den­de Neu­tha­ler Brü­cke mit einem Rost­schutz­an­strich zu sanie­ren, wobei der DVZO als Nut­zer nach Ansicht der Eigen­tü­me­rin SBB die dafür nöti­gen Finanz­mit­tel von rund einer Mil­li­on selbst her­an­zu­schaf­fen hat­te. Unter ande­ren ver­mit­tel­te Chris­toph dem dies­be­züg­lich uner­fah­re­nen Vor­stand den Kon­takt zum kan­to­na­len Lot­te­rie­fonds und küm­mer­te sich um die Büro­kra­tie. Bei den diver­sen Bege­hun­gen vor Ort fiel ihm auf, dass die Sta­ti­on Neu­thal ja einst ein zwei­tes Gleis hat­te. Die­ses könn­te man doch für die eige­nen Zwe­cke wie­der her­rich­ten, ein Umfah­rungs- und Kreu­zungs­gleis im Neu­thal wäre jeden­falls immer gut. Eini­ge Tele­fo­na­te an befreun­de­te Kom­man­dan­ten des Mili­tär­ei­sen­bahn­diens­tes genüg­ten, und im Neu­thal lagen im Rah­men einer kon­spi­ra­ti­ven Divi­si­ons­übung « Neu­thal 2000 » (damals war lan­des­weit grad « Bahn 2000 » en vogue) 150 Meter Schie­nen­jo­che und Wei­chen ; ein bald aus­ran­gier­tes mecha­ni­sches Stell­werk war ihm von der SBB-Bau­ab­tei­lung III auch schon ver­spro­chen. Bevor es aber zum Ein­bau kam, stopp­te der ver­gel­ster­te Ver­eins­vor­stand das Ansin­nen, was prompt den ers­ten gros­sen Kon­flikt schuf. Für Chris­toph war das zwar kein Grund, wie vie­le ande­re in ähn­li­chen Situa­tio­nen als begos­se­ner Pudel den Bet­tel hin­zu­schmeis­sen und sich unter Getö­se aus dem Ver­ein zu ver­ab­schie­den. Er zog sich aber vor­erst wie­der mehr in die Werk­statt zurück und genoss zwi­schen­durch sei­ne Hei­zer­diens­te, was er etwa in sei­nen illus­trier­ten Büch­lein « Geschich­ten aus dem Füh­rer­stand », Band I – III, leb­haft, durch­aus roman­ti­sie­rend und mit heu­te nicht mehr zuläs­si­gen poli­ti­schen Inkor­rekt­hei­ten beschrieb.

Als Hei­zer fand Chris­toph das Was­ser­fas­sen in Hin­wil mit den Feu­er­wehr­schläu­chen ab Hydrant gar müh­sam. Ein Wass­er­kran, wie er in Bau­ma noch aus der Dampf­zeit betriebs­fä­hig vor­han­den war, wäre doch auch hier etwas Genia­les. Er nutz­te den Bahn­hof­um­bau von 1989, um in Abspra­che mit der SBB an betrieb­lich geeig­ne­ter Lage ein auf­ge­ar­bei­te­tes Exem­plar auf­zu­stel­len und an die Was­ser­ver­sor­gung anzu­schlies­sen. Noch heu­te möch­te nie­mand die­ses Instru­ment missen.

Für ein nächs­tes gros­ses Her­zens­pro­jekt Chris­tophs zeig­te sich der Vor­stand auf­ge­schlos­sen. Ein­ge­denk sei­ner frü­hen Auf­ent­hal­te bei den Mei­le­mer Bar­rie­ren­frau­en trach­te­te Chris­toph danach, die­sem damals in den letz­ten Zügen lie­gen­den Berufs­stand (die SBB hob 1995 die letz­ten Bar­rie­ren­pos­ten auf) ein leben­di­ges Denk­mal zu set­zen und an der Dampf­bahn-Stre­cke ein funk­tio­nie­ren­des Wär­ter­haus mit Hand­bar­rie­re auf­zu­stel­len. Damals hat­te die SBB als Eigen­tü­me­rin noch das Sagen ; die Aus­rüs­tung des beson­ders kri­ti­schen und damals noch kon­se­quent mit Stras­sen­wa­che-Ver­kehrs­ka­det­ten zu sichern­den Bahn­über­gangs Bus­sen­thal mit einem his­to­ri­schen Schlag­baum wur­de nicht gestat­tet, hin­ge­gen die­je­ni­ge des bloss ört­li­che Bedeu­tung auf­wei­sen­den Bahn­über­gangs Neu­thal. Im soeben auto­ma­ti­sier­ten Bahn­hof Gla­rus wur­den 1994 die bei­den Boden­wär­ter-Buden Süd und Nord in einem wöchent­li­chen Arbeits­ein­satz scho­nend rück­ge­baut, auf Flach­wa­gen gela­den, per his­to­ri­sche Elek­tro­lok und (ab Bau­ma) Dampf­lok bei aus­ge­schal­te­ter Fahr­lei­tung ins Neu­thal ver­frach­tet und dort wie­der abge­la­den. Zwei Jah­re spä­ter war der mus­ter­gül­tig auf­ge­bau­te Pos­ten « 98a » (des­sen leicht schrä­ge Num­mer auf ein zufäl­lig auf­ge­fun­de­nes Schild zurück­geht) betriebs­be­reit und wur­de mit den Salut­schüs­sen aus einer Hagel­ka­no­ne ein­ge­weiht ; nur das im Kel­ler für die jähr­li­chen Fon­due-Aben­de ein­ge­la­ger­te Wein­de­pot muss­te auf Drän­gen des Lei­ters Bar­rie­ren­dienst wie­der unver­züg­lich ent­fernt wer­den, weil die­ser wegen die­ses Vor­rats sei­ne unmit­tel­ba­re Ver­haf­tung bei einer über­ra­schen­den BAV-Kon­trol­le fürchtete.

Nicht nur mit Artil­le­rie- und Hagel­ka­no­nen, auch ander­wei­tig Lärm machen, das tat Chris­toph fürs Leben gern. Von sei­nen Kind­heits­er­in­ne­run­gen im Bar­rie­ren­pos­ten her hat­ten es ihm die Läut­wer­ke ange­tan. So rich­te­te er mit Vor­lie­be ste­hen­ge­las­se­ne « Gling-Glangs » wie­der her, zum Bei­spiel das­je­ni­ge im Bahn­hof See­bach zur unauf­fäl­li­gen Bedie­nung mit­tels Schirm­spitz durch das Boden­blech. Wann immer ein DVZO-Extra­zug (damals nicht sel­ten) durch die­sen Bahn­hof fuhr, stand Chris­toph dort und gab dem Zug neckisch win­kend ein schep­pern­des Geleit. Wei­te­re Läut­wer­ke dra­pier­te er ent­lang der Stre­cke und vor der Remi­se Uster, selbst­ver­ständ­lich stets betriebs­be­reit und oft betä­tigt. Von der frü­he­ren UeBB fas­zi­niert, stat­te­te er auch den schie­nen­lo­sen Bahn­hof Hom­brech­ti­kon mit einem Läut­werk aus, dort sogar mit einem beson­ders wert­vol­len Maschi­nen­te­le­gra­fen von einem Bahn­hof der Rechtsufrigen.

Stets führ­te er eine Hand­kur­bel zum Auf­zie­hen der Abläut­glo­cken-Uhr­wer­ke mit sich und zog auf, was sich grad fin­den liess. Ein­mal nahm er mit dem Mili­tär­di­rek­tor an einer Hunds­ver­lo­che­te auf der Kyburg teil. Nach genos­se­nem Diner spa­zier­ten bei­de durch den Wald zum Bahn­hof Kempt­thal, um dort den letz­ten Zug nach Zürich zu neh­men. Da sie eine Vier­tel­stun­de zu früh anka­men, zeig­te er sei­nem Freund die Funk­ti­ons­wei­se des Läut­werks neben der ver­las­se­nen Stell­werk­kan­zel des Land­bahn­hofs. Dumm nur, dass die­ses immer noch an den Stre­cken­block ange­schlos­sen war und nun, sobald auf­ge­zo­gen, jede der dort auch nachts sehr häu­fi­gen Zug­fahr­ten zwei­mal abläu­te­te. Eiligst ent­flo­hen die zwei ihre Unschuld mimend auf den Zwi­schen­per­ron. Oben in der frü­he­ren Vor­stands­woh­nung ging das Licht an und eine ver­schla­fe­ne Per­son rief aus dem Fens­ter « wèr lüü­tet da ? ». Chris­toph rief schlag­fer­tig hin­auf « si sind grad devo­grännt ! » und freu­te sich noch jah­re­lang die­bisch über den offen­sicht­lich ver­ur­sach­ten Schlaf­ent­zug. Die armen Bewoh­ner wer­den die gan­ze Nacht nicht mehr zur Ruhe gekom­men sein, denn ein auf­ge­zo­ge­nes Läut­werk schafft etwa 30 Züge anzu­zei­gen, bis das Gewicht wie­der hin­un­ter­ge­schnurrt ist.

Auch bei sei­nen häu­fi­gen Besu­chen im Bahn­hof­bü­ro Bau­ma liess er unab­hän­gig von der Tages­zeit stets zunächst die betrieb­lich obso­le­te Glo­cke Rich­tung Saland erklin­gen, das Resul­tat in kur­zer Kon­tem­pla­ti­on sicht­lich genies­send. Erst danach klopf­te er an die Fahr­dienst­tü­re und begehr­te Ein­lass, um sein Anlie­gen vorzubringen.

Beim Hei­zen war er eben­falls nie um eine Begrün­dung ver­le­gen, wes­halb in der Feu­er­büch­se grad jetzt noch ein­mal Koh­le auf­zu­le­gen sei (über sei­ne Beschi­ckungs­in­ten­si­tät wäre eine Freud’sche Ana­ly­se ohne­hin recht ergie­big gewe­sen), und wäh­rend sei­nen Hei­zer­diens­ten blies das Sicher­heits­ven­til zu über­wie­gen­dem Teil der Betriebs­zeit ab, sowohl auf Berg- wie auf Tal­fahrt und sowie­so beim Her­um­ste­hen. Obli­ga­to­risch war auch das noch viel ohren­be­täu­ben­de­re Abschläm­men des Kes­sels nach drei­vier­tel­stün­di­gem besen­rei­nem Park­dienst am « Wösch­platz », mit Vor­lie­be genau dann, wenn die Mess­gän­ger aus der benach­bar­ten katho­li­schen Kir­che hin­aus­ström­ten. Als Rück­sicht neh­men­de Kol­le­gen in Uster der Lok 2 einst einen Schall­dämp­fer zur nach­bar­schafts­scho­nen­de­ren Betä­ti­gung des Abschlamm­ven­tils ein­bau­ten, schlich Chris­toph des Nachts ins Depot, säg­te das ver­ma­le­dei­te fabrik­neue Teil kur­zer­hand ab und pos­tier­te es aus Pro­test gut sicht­bar auf dem Alt­ei­sen­hau­fen, auf dass er wei­ter­hin sein Hob­by aus­rei­chend hör­bar zu mar­kie­ren in der Lage sei.

Neben Dampf­loks fas­zi­nier­ten Chris­toph in beson­de­rem Mass auch mecha­ni­sche Signa­le als wei­te­re leben­dig geblie­be­ne Kind­heits­er­in­ne­rung. Ihrer Acht hat er zusam­men­ge­tra­gen, saniert und ent­lang der Stre­cke sowie (nach­dem es sinn­vol­ler­wei­se nichts mehr zu signa­li­sie­ren gege­ben hät­te) bei der Remi­se Uster wie­der auf­ge­stellt. Schon in den 90ern ver­brach­te Chris­toph gele­gent­lich einen Sams­tag­nach­mit­tag nicht in der Werk­statt, son­dern an der Stre­cke Bau­ma-Bärets­wil, um das eine oder ande­re Zip­per­lein, das dem unter Spar­druck ste­hen­den SBB-Bahn­meis­ter zu gering­fü­gig schien, nach eige­ner Façon zu behe­ben, und sei es bloss in Form einer Jät- oder Baum­fäll­ak­ti­on über eini­ge 100 Meter. Immer wie­der ver­mit­tel­te er in Abspra­che mit der SBB Ein­sät­ze der Eisen­bahn-Genie­trup­pen, die hier ohne Gefähr­dung durch Eisen­bahn­ver­kehr und ohne Zeit­druck das Auf­bau­en zer­stör­ter Infra­struk­tur üben konn­ten, selbst­ver­ständ­lich ohne jede Kos­ten­fol­gen für die SBB wie für den DVZO. Gele­gent­lich schick­te er auch sei­ne « Töss-Mari­ne », die AWEL-Trup­pe zur Böschungs- und Fluss­pfle­ge, etwas abseits ihres Wir­kungs­ge­bie­tes « zu Aus­bil­dungs­zwe­cken » einen kran­ken Baum fäl­len oder Gebü­sche schnei­den. Als Ende der 90er-Jah­re die SBB die Stre­cke Bau­ma-Bärets­wil dem DVZO für einen Fran­ken zum Kauf anbot, sass Chris­toph mit sei­nem bis­wei­len knall­har­ten Ver­hand­lungs­ge­schick stets mit am Tisch. Das Brü­cken­pro­jekt und der Wär­ter­pos­ten führ­ten ihn direkt auf den Ver­eins­pos­ten, der nun nach Über­nah­me der Stre­cke zu Eigen­tum sei­ner harr­te : den Chef Bau­dienst, de fac­to Lei­ter Infra­struk­tur bzw. Bahn­in­ge­nieur, unter­stützt durch den treu­en Alo­is « Wisi » Bischof­ber­ger als Stell­ver­tre­ter und Bahn­meis­ter. Unmit­tel­bar nach die­ser Über­nah­me stan­den wei­te­re Arbei­ten an in Form einer Fun­da­ment­sa­nie­rung der Neu­tha­ler Brü­cke und einer Instand­hal­tung des Böl­via­dukts an, wofür aber­mals 1.5 Mil­lio­nen zu sam­meln waren. Chris­toph hat­te hier­in ja bereits Erfah­rung und lei­te­te auch die­se Aktio­nen zu Finan­zie­rung und Umset­zung mit Umsicht. Fol­ge­rich­tig lehn­te er stets mit Nach­druck alle Ideen ab, die Linie Bauma-Bäretswil(-Hinwil) auf­zu­ge­ben und sich mit dem lang noch pro­blem­lo­sen Netz­zu­gang zwi­schen Bau­ma und Wald zu begnü­gen (die Zeit gab ihm recht ; seit 2019 kön­nen hier kei­ne lang­sa­men Extra­zü­ge mehr verkehren).

Mit sei­nem neu­en Res­sort hat­te Chris­toph nun zunächst gros­ses vor, nach Vor­bild der Fur­ka-Berg­stre­cke soll­te eine akti­ve Trup­pe von sechs bis zehn Mann min­des­tens ein­mal wöchent­lich tätig sein. Mit dem Eifer des Erst­se­mes­ter-Medi­zin­stu­den­ten, der unter Aus­las­sung wich­ti­ger Vor­le­sun­gen immer­hin schon ein­mal fleis­sig Heft­li zur Auf­la­ge in sei­nem künf­ti­gen Wart­zim­mer sam­melt, hol­te Chris­toph einen Rot­ten­wa­gen und diver­se his­to­ri­sche Bahn­dienst-Maga­zi­ne und ‑Werk­zeu­ge in den Ver­eins­be­stand. Nur mit der Trup­pe kam es nicht so recht vor­wärts. Ein­mal monat­lich drei bis sechs Mann waren das Maxi­mum, trotz auf­wän­di­ger Beko­chung der Akti­ven in den eige­nen Sozi­al­räu­men (als Kampf­trup­pen-Kom­man­dant wuss­te Chris­toph, wie wich­tig eine gute Ver­pfle­gung für die Mann­schaft ist). Es kam eben nicht jeder­mann klar mit Chris­tophs bis­wei­len sehr mili­tä­risch gefärb­ten Füh­rungs­qua­li­tä­ten, und man­che älte­ren Her­ren, denen das viel­leicht noch eher egal gewe­sen wäre, bevor­zug­ten das Arbei­ten in der geheiz­ten Werk­statt den Ein­sät­zen draus­sen bei Wind und Wetter.

Nach dem Auf­stel­len neu­er (bis­her feh­len­der) Aus­fahr­si­gna­le kam Chris­toph die Idee, den Bahn­hof Bärets­wil mit einem veri­ta­blen mecha­ni­schen Stell­werk aus­zu­rüs­ten. Die­ses besorg­te er sich zur Jahr­hun­dert­wen­de vom Bahn­hof Utt­wil, den die Mit­tel-Thur­gau-Bahn eben über­nom­men hat­te und nun sanier­te. Den mecha­ni­schen Appa­rat vom Typ Bruch­sal J lager­te er vor­erst im Heiz­kraft­werk Aubrugg ein, das sei­ner Ver­wal­tung unter­stand. Zur (bis­her teil­wei­sen) Aus­füh­rung des Pro­jekts gelang­ten aber erst sei­ne Nachfolger.

Mit sei­ner Pen­sio­nie­rung zur Jahr­hun­dert­wen­de und dank der soeben ein­set­zen­den Bahn­re­form bekam Chris­toph nun über­ra­schend Gele­gen­heit, sei­nen alten Buben­traum doch noch zu ver­wirk­li­chen, und die pack­te er beim Schopf. Im Abschieds­in­ter­view als Amts­chef mit der NZZ ver­mel­de­te er dies denn auch der geneig­ten Öffent­lich­keit, und auf dem Por­trait trug er sym­bo­lisch die Kra­wat­te aus dem Dampf­lä­de­li. Der Ver­ein liess ihn zusam­men mit einem jun­gen Kol­le­gen bei einem selbst­stän­dig gewor­de­nen ehe­ma­li­gen Ober­lok­füh­rer der abge­schaff­ten SBB-Kreis­di­rek­ti­on III und mit Pla­zet sowohl des BAV wie des Ver­kehrs­psy­cho­lo­gen und des alle Augen und Ohren zudrü­cken­den Bahn­arz­tes zum « Lok­füh­rer Kate­go­rie C spe­zi­al (nur Bau­ma-Hin­wil)» aus­bil­den. Die fol­gen­den 5 Jah­re dien­te er nun nicht nur dem Betrieb als zeit­lich maxi­mal fle­xi­bel ein­setz­ba­rer Dampf- und Elek­tro­lok­füh­rer, son­dern auch der Infra­struk­tur-Instand­hal­tung als sein eige­ner Bau­zug-Lok­füh­rer, wozu von der SBB ein aus­ran­gier­ter Tm’’-Bahndiensttraktor und diver­se Dienst­wa­gen ange­schafft wur­den. Beson­de­ren Spass hat­te Chris­toph jeweils, wenn er bei­des kom­bi­nie­ren konn­te, so z.B. im Rah­men eines drei­tä­gi­gen Dampf­ein­sat­zes vor dem Entwässerungskanal-Spülzug.

Wei­te­re Pro­jek­te berei­cher­ten das Tätig­keits­pro­gramm des Frisch­pen­sio­nier­ten. Nach­dem 1989 in Hin­wil die Dreh­schei­be ent­fernt wor­den war, woll­te Chris­toph wenigs­tens lang­fris­tig einen Ersatz ermög­li­chen, umstands­be­dingt nun in Bau­ma anstel­le diver­ser (heu­te noch) maro­der Depot­wei­chen. Nach rund 10 Jah­ren fand sich ein geeig­ne­tes Stück in Form der zwei­ten (klei­ne­ren) Dreh­schei­be hin­ter dem Depot Nord in Win­ter­thur. Ein aber­mals ein­wö­chi­ger Arbeits­ein­satz eines Frei­wil­li­gen­kol­lek­tivs mit Über­nach­tungs­ge­le­gen­heit im eigens orga­ni­sier­ten SBB-Lie­ge­wa­gen und Tag­wa­che um 06:15 (nach einer Meu­te­rei dann auf 07:00 ver­scho­ben) dien­te dem Aus­bau die­ser Schei­be, die nach Auf­ar­bei­tung vor­erst in Bau­ma zwi­schen­ge­la­gert wur­de und heu­te noch ist, zwar der Ver­schrot­tung har­rend, aber immer­hin als eine der Keim­zel­len des aktu­el­len Mega-Pro­jek­tes « Depot­are­al Bau­ma 2020 ».

Unzäh­li­ge wei­te­re Ein­zel­pro­jek­te beglei­te­te oder lei­te­te Chris­toph eben­falls. Ein letz­tes führ­te er in der Lok­re­mi­se Uster durch, wo er neben sei­nen diver­sen ande­ren Tätig­kei­ten als « Göt­ti » der Ed3/4 2 wäh­rend Jah­ren sorg­fäl­tig den nöti­gen Unter­halt zukom­men liess, dann und wann aber auch mal die gan­ze Mann­schaft bekoch­te. Da der Vor­stand beab­sich­tig­te, künf­tig im Win­ter eben­falls ver­mehrt Extrafahr­ten auf der eige­nen Stre­cke durch­zu­füh­ren, hol­te er den seit Jahr­zehn­ten in Rap­pers­wil auf einem Denk­mal­so­ckel ste­hen­den Schnee­pflug auf die Schie­nen zurück und restau­rier­te ihn in Uster und tat­kräf­ti­ger Mit­hil­fe vor allem von Ueli Schnei­der zum « Schnee-Ueli ». Ein ers­ter und vor­erst ein­zi­ger Ein­satz die­ses Gefährts im Hin­blick auf eine Extrafahrt der gan­zen Schu­le Bau­ma zur Pfäf­fi­ker Seegfrör­ni Anfang 2006 wur­de aber eher ein Deba­kel mit einer weit über 16-stün­di­gen Dienst­schicht der Räum­mann­schaft inklu­si­ve einer Ent­glei­sung. Aber immer­hin, der Extra­zug mit 300 Kin­dern konn­te schliess­lich durch Schnee und Eis ver­keh­ren. Dass der « Schnee-Ueli » anschlies­send nicht mehr ein­ge­setzt wur­de und sogar wie­der zum « Schnee-Pflug » umbe­zeich­net wur­de, moch­te Chris­toph ver­dries­sen (der seit­her ein­zi­ge « rich­ti­ge » Ein­satz mit Dampf­lok erfolg­te erst viel spä­ter im Janu­ar 2019, vor- und nach­her war das Gefährt wegen Res­sour­cen­man­gels abge­stellt). Ziem­lich ver­bit­tert quit­tier­te er nach eini­gen wei­te­ren Que­re­len den Dienst, trat zunächst aus dem Vor­stand und spä­ter aus dem Ver­ein aus. In zwing­lia­ni­scher Ver­här­mung ver­bat er sich jeg­li­che Ehrung für sei­nen bis­he­ri­gen Ein­satz eben­so, wie er nur weni­gen Kol­le­gen gegen­über grund­sätz­li­che Dank­bar­keit für die ihm in gemein­sa­mer Arbeit ermög­lich­ten Erleb­nis­se und Unter­neh­mun­gen zeigte.

Chris­toph hat­te wie beschrie­ben schon 1988 sei­nen ers­ten Zusam­men­stoss mit dem Ver­eins­vor­stand. Als erfah­re­nem und selbst­be­wuss­tem Kader­mann waren ihm auch nach­her vie­le Ent­schei­de des Füh­rungs­gre­mi­ums nicht nach­voll­zieh­bar, ins­be­son­de­re war ihm stets der haus­häl­te­ri­sche Umgang mit den knap­pen Finan­zen ein wesent­li­ches Anlie­gen. Episch waren sei­ne vor allem schrift­lich geführ­ten Ein­ga­ben und in der Fol­ge Schrift­wech­sel mit dem Vor­stand, zunächst per Post, spä­ter per Fax und schliess­lich per E‑Mail. 2000 wur­de er kon­se­quen­ter­wei­se eher cont­re-cœur doch noch auch Vor­stands­mit­glied (ein Prä­si­di­um hat­te er anders­wo inne, näm­lich wäh­rend der gesam­ten rund 20-jäh­ri­gen Lebens­zeit des Ver­eins « Eisen­bahn­freun­de Zürich­see Rech­tes Ufer EZRU », der die his­to­ri­sche Elek­tro­lok Ae3/6’ 10664 des Depot Rap­pers­wil put­zen und ein­mal jähr­lich zu ordent­li­chen Char­ter­prei­sen für eine Extrafahrt ver­wen­den durf­te). Ein­fach im Umgang war er wäh­rend sei­ner bis 2007 dau­ern­den DVZO-Vor­stands­zeit nie, dar­in glich er sei­nem teil­wei­se gleich­zei­tig im Bun­des­rat poli­ti­sie­ren­den Namens­vet­ter aus dem glei­chen Dorf. Abso­lut dos­sier­fest und gele­gent­lich mit guten Ideen koope­rie­rend, hat­te er vor allem Mühe, die Kom­pe­ten­zen und bis­wei­len gesetz­lich getrie­be­nen Ent­schei­de jün­ge­rer Kol­le­gen nach­zu­voll­zie­hen und kol­le­gi­al mit­zu­tra­gen. Das Zug‑, Sta­ti­ons- und Bar­rie­ren­per­so­nal bekam pau­schal Ver­ach­tung zu spü­ren, sogar wenn der Kon­duk­teur ein Dienst­ka­me­rad im Majors­rang war. Bedien­te ein Wär­ter die Bar­rie­ren­hand­kur­bel nicht so wie sich Chris­toph dies wünsch­te, kam ein « du Gül­le­puur ! » vom Füh­rer­stand her­ab. Ein­zig auf die Lok­füh­rer liess er unab­hän­gig von deren Alter nie etwas kom­men. Gera­de­zu ver­göt­tert hat er den cha­ris­ma­ti­schen Appen­zell-Aus­ser­rho­der Toni « Sir Antho­ny » Rei­sa­cher, mit dem zusam­men er selbst­re­dend am liebs­ten Fahr­dienst leis­te­te und dem er sogar zubil­lig­te, die für Toni als klei­nen Mann bes­ser pas­sen­de « Märk­lin-Lok » Ed3/3 401 der ihm selbst viel bes­ser gefal­len­den grös­se­ren Ed3/4 2 vor­zu­zie­hen. Beim fünf Jah­re älte­ren Toni konn­te es sogar vor­kom­men, dass der kant. Amts­chef bei Erschei­nen des bär­ti­gen Mann­li die­sem thea­tra­lisch (zu höchs­tens 49% iro­nisch und zu min­des­tens 51% effek­tiv devot) zu Füs­sen fiel und ihm einen davon küss­te ; Toni liess es sto­isch und mit gewis­sem Amü­se­ment über sich erge­hen. Nach­dem der Doy­en alters­hal­ber aus dem Fahr­dienst aus­ge­schie­den war, wur­de er von Chris­toph jeweils als unter­halt­sa­mer Gesell­schaf­ter und Abwasch­hil­fe zu des­sen Küchen­chef-Ein­sät­zen nach Uster beor­dert. Des­sen Tod mit 78 Jah­ren traf Chris­toph aus­ser­or­dent­lich tief. Eine eher auf Augen­hö­he ste­hen­de Freund­schaft pfleg­te Chris­toph mit dem 13 Jah­re jün­ge­ren, aus Appen­zell-Inner­rho­den stam­men­den Alo­is « Wisi » Bischof­ber­ger, der als sein Bahn­meis­ter amte­te und mit dem er bis zuletzt kol­le­gi­al ver­bun­den blieb. Die ande­ren Lok­füh­rer ach­te­te er, sofern es Berufs­leu­te waren. Hei­zer und (ande­re) Lai­en-Lok­füh­rer aber waren ihm fast durch­weg ein lok­mor­den­der Gräu­el, sofern sie jün­ger waren und die Aus­bil­dung spä­ter als er erwar­ben (das hiess : fast alle), und er liess sel­ten eine Gele­gen­heit aus, sei­ner Ver­ach­tung und sei­nem Spott die gebüh­ren­de Bekannt­ma­chung zuteil­wer­den zu lassen.

Als Chef Bau­dienst küm­mer­te er sich selek­tiv um gutes Ein­ver­neh­men mit den Anwoh­nern der Stre­cke. Wer ihn und sein Hob­by nicht grund­sätz­lich kri­ti­sier­te, bekam dann und wann freund­li­che Wor­te oder ein Frei­bil­lett als « Schmier­mit­tel » zuge­steckt. Die ande­ren ver­ach­te­te und/oder igno­rier­te er, mit sei­nen Mass­nah­men und Pro­jek­ten daher­fah­rend wie ein Hoch­was­ser, das erst an aus­rei­chend star­ken Däm­men abge­lenkt wird. Gros­sen Ein­druck mach­te ihm nur die Unter­schrif­ten­samm­lung eini­ger Hin­wi­ler gegen die Dampf­bahn-Immis­sio­nen. Er ent­wi­ckel­te eine Tech­nik zum « rauch­frei­en Hei­zen » mit­tels Ver­feue­rung von Bri­kett-Klöt­zen, derer sechs Stück ihm die Lok­be­treu­er beim Koh­len­fas­sen stets her­bei­tra­gen muss­ten. Wehe, dies geschah nicht, dann bekam « das Knäb­lein » (Chris­tophs bevor­zug­te Bezeich­nung für die­se zumeist von Junio­ren wahr­ge­nom­me­ne Char­ge) vom Füh­rer­stand her­un­ter Gift & Gal­le zu hören. Nach Bärets­wil auf der Tal­fahrt zer­klopf­te er die Bri­ketts mit lau­ten Ham­mer­schlä­gen zu gut ver­dau­li­chen Stü­cken und leg­te im Bereich des Dor­fes und wäh­rend des Halts im Bahn­hof aus­schliess­lich die­se auf. Dass die Rauch­ent­wick­lung eher von der Men­ge gleich­zei­tig ver­feu­er­ter Koh­le und weni­ger von deren Qua­li­tät abhängt, ver­wies er in den Bereich der Mär­chen und zieh alle Kol­le­gen, die sich nicht an sein allein rich­ti­ges Modell hiel­ten, der üblen Häre­sie, geeig­net, dem Sarg des DVZO den letz­ten Nagel ein­zu­schla­gen. Gleich­zei­tig war es ihm einer­lei, dass er auch im Dorf und im Bahn­hof Hin­wil prak­tisch unun­ter­bro­chen das Sicher­heits­ven­til abbla­sen liess. Mit sei­ner Schwer­hö­rig­keit stör­te ihn dies eben weni­ger als ande­re Leute.

Und doch hat­te er auch viel Sinn für Stil und (bür­ger­li­che) Kul­tur. Selbst­ver­ständ­lich durf­te eine Dampf­lok erst nach pico­bel­lo durch­ge­führ­tem Put­zen unten und oben auf dem säu­berst vor­be­rei­te­ten Remi­sen­stand ver­sorgt wer­den. Legen­där sind die Fei­er­lich­kei­ten zur « Einstal­lung » der Dampf­loks Ende Sai­son in der Lok­re­mi­se Uster, als man sich unmit­tel­bar nach der letz­ten Ankunft in Bau­ma noch ein­mal über den Berg ins Win­ter­quar­tier auf­mach­te. Nach dem obli­ga­to­ri­schen Park­dienst erwar­te­ten der von Chris­toph bereit­ge­stell­te Apé­ro und das selbst gekoch­te Nacht­es­sen die Betei­lig­ten, und alle genos­sen die gesel­li­ge Stim­mung. Heu­te sind sol­che Anläs­se nur schon wegen der dich­ten Stre­cken­be­le­gung nicht mehr möglich.

Chris­toph moch­te den Besuch klas­si­scher Kon­zer­te. Sel­ten liess er eines aus, wenn ihm ein mit­wir­ken­der Ver­eins­kol­le­ge (und sei es jemand aus dem Zug­per­so­nal) dis­kret einen Wer­be­fly­er zusteck­te. Ger­ne liess er sich dabei auch von Vere­na beglei­ten, sei­ner frü­he­ren Chef-Sekre­tä­rin, spä­te­ren Part­ne­rin und ganz am Schluss zwei­ten Ehe­frau. In mei­nem per­sön­li­chem Musik­emp­fin­den kon­no­tie­re ich ein klei­nes Werk der klas­si­schen Musik ganz beson­ders mit Chris­toph, wenn er mit viel Dampf auf sei­ner Lok 2 daher­ge­fah­ren kam : dem Stück VII « Le Capi­taine Car­tuc­cia » aus « Le Car­na­val d’Aix » von Dari­us Milhaud.

Obwohl ihm die Gelas­sen­heit in aller Regel abging – wenn alles stimm­te, dann konn­te auch Chris­toph so rich­tig genies­sen, ange­zeigt durch das Anste­cken einer Chur­chill Mor­ning, von denen er stets einen Vor­rat dabei­hat­te und den Kol­le­gen zum gemein­sa­men Schmauch bereit­wil­lig abgab.

Oft bezich­tig­te er den DVZO diver­ser Sün­den gegen sein beruf­li­ches Metier und Her­zens­an­lie­gen, den Gewäs­ser­schutz. Die einst auf­kom­men­de Idee einer Ent­lee­rung des Kes­sel­was­sers bei 90°C etwa ver­damm­te er in Bausch und Bogen, den schä­di­gen­den Ein­fluss auf Abwas­ser­lei­tun­gen und ‑rei­ni­gung in der 4 km weit ent­fern­ten Anla­ge Saland ins Feld füh­rend. Gleich­zei­tig war es span­nend zu sehen, wie viel mehr als ande­re er beim eben­so gross­zü­gi­gen wie unge­len­ken Abschmie­ren der Dampf­loks mit den trop­fen­den und Ölfä­den zie­hen­den Klis­tie­ren und Kan­nen gan­ze Land­kar­ten auf den Boden vor dem Depot zeich­ne­te, des­sen Abwas­ser unge­klärt versickerte.

Per­sön­lich lern­te ich Chris­toph im Win­ter 1991 in der dama­li­gen Revi­si­ons­stät­te Wil SG ken­nen. Als berufs­mäs­si­gen Sta­ti­ön­ler ach­te­te er mich immer­hin zu 50%, wobei ihm mei­ne dama­li­gen Dienst­or­te (zunächst sein Wohn­ort Mei­len und nach­her Lin­th­al) beson­ders gefie­len. Spä­ter beein­druck­te ihn mein Orga­ni­sa­ti­ons­ta­lent, das zunächst den eher zurück­hal­ten­den Betriebs­lei­ter unterstützte.

Legen­där war etwa der Kader­rap­port vor der Werk­statt-Zügle­te von Wil SG nach Uster im Früh­ling 1995, als ich, dienst­lich am Aus­gangs­punkt sta­tio­niert, den Schlüs­sel für das spek­ta­ku­lär gele­ge­ne Sit­zungs­zim­mer auf dem Silo-Turm neben dem Lok­de­pot beschaff­te und wir dort oben den längs­ten DVZO-Zug aller Zei­ten plan­ten. Ein ander­mal hiel­ten wir bei « Sir » gros­sen Kriegs­rat im Hin­blick auf ein Glar­ner Wochen­en­de con tut­ta la roba, bei wel­cher Gele­gen­heit ich mir zum ers­ten Mal eine Chur­chill Mor­ning geneh­mig­te. Als gros­sem Fan des Glar­ner­lan­des, per­sön­li­chem Freund eines Glar­ner Stän­de­ra­tes und Mit­glied der Linth­kom­mis­si­on war es Chris­toph ein gros­ses Anlie­gen, dass der DVZO sich bei die­sem Anlass von der bes­ten Sei­te zeigte.

Spä­ter, vor allem zu mei­ner Zeit als Betriebs­lei­ter, kam es immer öfter zu Frik­tio­nen aller Art. Zum einen lag deren Ursa­che im natur­ge­ge­be­nen Ant­ago­nis­mus zwi­schen Infra­struk­tur und Betrieb, wenn er etwa schon wie­der eine Sai­son­kür­zung zwecks vor­win­ter­li­cher Bau­ar­bei­ten ver­lang­te und man für ein­zel­ne Fahr­ta­ge auf Bau­ma-Wald aus­wei­chen muss­te. Im Gros­sen und Gan­zen hän­del­ten wir das koope­ra­tiv. Schwie­ri­ger wur­de es, wenn ich ihn in sei­ner fahr­dienst­li­chen Funk­ti­on kor­ri­gie­ren muss­te. Mit man­chen Buben­trick­li etwa sorg­te er zunächst schel­misch für eine ver­spä­te­te Abfahrt, um dann mit­tels « flot­ter Berg­fahrt » (Höchst­ge­schwin­dig­keit plus 10% plus…; die Has­ler-Geschwin­dig­keits­mes­ser waren ja nicht so genau) und eben­sol­cher Tal­fahrt die selbst­ver­ständ­lich qua­li­täts­re­le­van­te pünkt­li­che Ankunfts­zeit doch ein­hal­ten zu kön­nen. Man­cher Hei­zer hat geseufzt, ande­re waren begeis­tert, die Loks konn­ten sich natur­ge­ge­ben dazu nicht äussern.

1998 ergat­ter­te Chris­toph aus der aller­letz­ten dama­li­gen Finan­zie­rungs­tran­che des Bun­des zur « Sanie­rung von Bahn­über­gän­gen », die auf das Unglück von Pfäf­fi­kon ZH im Jahr 1982 zurück­ging, rund eine hal­be Mil­li­on für die Ein­rich­tung der neu­en Bar­rie­ren­an­la­ge Bus­sen­thal. Als Inno­va­ti­on wur­de die­se Anla­ge per Funk ab der Lok ange­steu­ert, wofür fünf schwar­ze Funk­ge­rä­te beschafft wur­den. Es kam, wie es kom­men muss­te – eines Tages fehl­te eines davon. Chris­toph zieh den auch als Hei­zer amtie­ren­den tech­ni­schen Lei­ter der even­tu­al­vor­sätz­li­chen Zer­stö­rung die­ses Geräts in der Feu­er­büch­se infol­ge unge­schick­tem Koh­le­schau­feln. Er beschaff­te auf eige­ne Kos­ten ein Ersatz­ge­rät und brach­te ein eben­falls auf eige­ne Kos­ten beschaff­tes Schild­chen « Wädi-Funk » dar­auf an, damit der Übel­tä­ter lebens­lang an sein ver­werf­li­ches Tun erin­nert wer­de. Nach­dem ich aus grund­sätz­li­chen Über­le­gun­gen die­ses Schild ent­fernt und ent­sorgt hat­te, war kurz dar­auf wie­der eines drauf. So ging es ein paar Mal hin und her, bis er es schliess­lich grum­melnd aufgab.

Chris­toph war aber auch ein Meis­ter dar­in, das Kriegs­beil ganz oder vor­über­ge­hend zu begra­ben. So konn­te es sein, dass eine län­ge­re Serie unfreund­li­cher Fax-Noten­aus­tau­sche mit einer Ladung (unver­gif­te­ter) selbst gemach­ter Kon­fi­tü­re in mei­nem Milch­kas­ten und einem Zet­tel « KTA – Kon­fi trotz allem – Gruss Ch.M. » eben­so abrupt wie fried­lich been­det wur­de. Ein­mal war Chris­toph der Ansicht, eine mor­sche Fah­nen­stan­ge in der Gäh­lern bei Teu­fen AR, dem Höck­li von « Sir », sei morsch und müs­se ersetzt wer­den. Obwohl gera­de wie­der im Trio über irgend­ei­ne Quis­qui­lie strei­tend, schloss er für einen Tag Frie­den mit dem bereits erwähn­ten Wädi und mir, und wir fuh­ren zu dritt ins Appen­zel­ler­land, wo « Sir » von lan­ger Hand vor­be­rei­tet aus­ser Haus gelockt war und wir gemein­sam zu sei­ner Über­ra­schung die neue Fah­nen­stan­ge auf­stell­ten. Es war ein glat­ter Anlass. Am nächs­ten Tag gin­gen dann, wie wenn nichts gewe­sen wäre, wie­der böse E‑Mails über die Quis­qui­lie hin und her.

Als im Juli 2006 der Bau­mer Güter­schup­pen mit dem Cate­ring-Stütz­punkt das Opfer einer Brand­stif­tung wur­de, zöger­te Chris­toph nicht und aner­bot « trotz den lau­fen­den Dif­fe­ren­zen » zusam­men­zu­span­nen und eine Ersatz­lö­sung auf die Bei­ne zu stel­len. Tat­säch­lich gelang es ihm noch ein­mal innert weni­ger Tage, mit Hil­fe sei­nes Bezie­hungs­net­zes einen Con­tai­ner vor dem Depot auf­zu­stel­len, wo die Gas­tro­no­mie nun für ein Jahr eine pro­vi­so­ri­sche Blei­be fand. Chris­toph betei­lig­te sich auch an vor­ders­ter Front an der unver­züg­lich vor­ge­zo­ge­nen Auf­ar­bei­tung des Gen­fer Hilfs­wa­gens zur « Gas­tro­no­mie-Heb­am­me », die bereits ab 2007 als fahr­ba­rer Stütz­punkt und neue defi­ni­ti­ve Lösung zur Ver­fü­gung stand.

Im Gegen­satz zu ande­ren Vete­ra­nen, die sich auch nach ihrem Rück­zug aus dem akti­ven Dienst dann und wann als Pas­sa­gie­re bli­cken las­sen und mit den sel­te­ner wer­den­den bekann­ten Kol­le­gen einen Schwatz hal­ten, beschränk­te Chris­toph sein Erschei­nen strikt auf die Lok­re­mi­se Uster, wo er die Kol­le­gen wei­ter­hin ein bis zwei­mal jähr­lich mit sei­nen legen­dä­ren Mili­tär­kä­se­schnit­ten bekoch­te. Nur am Vete­ra­nen­tag 2019 kam er noch­mals in die Hügel zwi­schen Glatt- und Töss­tal. Nach­dem er sich im Neu­thal alles bese­hen hat­te, zeig­te er sich von dem sei­ner Ansicht nach der­art deso­la­ten Zustand der Anla­gen so ent­täuscht, dass er die Ein­la­dung zum Mit­tag­essen ver­bit­tert aus­schlug und sich sogleich auf den Heim­weg mach­te. Auch im hohen Alter war ihm eben die Gna­de der Gelas­sen­heit nicht gegeben.

Das letz­te Mal sah ich den frü­he­ren Ver­eins­ka­me­ra­den in der Nähe sei­nes letz­ten Wohn­or­tes in der Oer­li­ko­n­er­stras­se spa­zie­rend vom Mira­ge-Tram aus, das 2020/2021 noch ein­mal aus dem Muse­um für Betriebs­ein­sät­ze her­vor­ge­holt wur­de und in dem ich eine qua­si nost­al­gi­sche Fahrt durch Zürich unter­nahm. Die­se ein­sei­tig-zufäl­li­ge Begeg­nung steht mir sym­bo­lisch für den Rück­blick auf eine ver­gan­ge­ne Zeit. Eine Zeit wie sie war, aber nicht mehr ist. Eine Zeit mit mehr Kaser­nen­hof­drill und gro­ben Umgangs­tö­nen, aber auch mit mehr orga­ni­sa­to­ri­scher Ver­bind­lich­keit und selbst­ver­leug­nen­dem Engagement.

Jürg Haus­wirth, 21.10.2022