Adieu Caro, willkommen C2 422
Der eine oder andere wird sich eventuell schon gefragt haben, wo der Caro (Carrozza Romantica) des Amor Express geblieben ist. Eines Vorneweg: diesen Wagen gibt es nicht mehr.
Doch der Reihe nach: Als der Caro im April 2022 aus der Unterbodenrevision bei der Historic Rail Services GmbH (HRS) zurückkam, stand er etwa ein Jahr neben dem Depot in Bauma. In dieser Zeit wurde das in die Jahre gekommene Interieur abgebrochen, sodass am Schluss nur noch die Hülle stand.
Leider wurde beim Umbau zum Caro in den 1960ern praktisch das Ganze Interieur verschrottet. Sogar die Abteiltrennwand sowie die Rahmen samt Füllungen unterhalb der Fenster wurden entfernt. Überlebt haben lediglich die beiden Abteiltüren sowie jene vom WC, da sie in die «neue» Struktur integriert wurden.
Nun galt es die innere Hülle des Kastens wieder herzustellen. Die Rahmen mit Füllungen unter den Fenstern, Abteil- sowie WC-Trennwand einbauen und an der Decke die alte Farbe entfernen und neu streichen.
Zwischenzeitlich wurde begonnen die Inneneinrichtung (Bänke mit Armlehnen und Hutablagen) am CAD zu zeichnen. Glücklicherweise konnten wir an bestehenden Fahrzeugen «Mass nehmen» oder wie es heutzutage heisst: Reverse Engineering betreiben. Die Produktion der Rahmen mit Füllungen lief mittlerweile auf Hochtouren und die Schreinerei platzte aus allen Nähten. Unsere Bedenken, die nicht ganz einfache Form der Hutablagenträger herstellen zu können, bewahrheiteten sich zum Glück nicht. Wir fanden einen externen Hersteller, der uns die Metallteile auslasern und biegen konnte. So konnten wir anschliessend auch die Produktion der Hutablagen starten.
Wie uns im Winter eindrücklich gezeigt wurde, hatten wir auch ein undichtes Dach. Leider waren die Schnittstellen zwischen Dachlüftung und Dach in die Jahre gekommen und mussten neu abgedichtet werden.
Im April 2023 verschoben wir den Wagen ins Depot. So konnten die Bleche am Plattformhimmel entfernt werden, um die darunterliegende Holzstruktur zu überprüfen. Leider war diese in einem sehr schlechten Zustand, weshalb wir sie ersetzen mussten.
Auch im Bereich der Toilette hatte der Umgang mit Wasser seine Spuren hinterlassen. Da die Seitenbleche jeweils aus einem Stück sind, wollten wir diese wenn immer möglich nicht herunternehmen, da wir nicht über die dafür notwendige Infrastruktur verfügen. Glücklicherweise konnte die Firma HRS die Reparatur des WC-Bereichs trotz montiertem Seitenblech durchführen.
Im Februar 2024 startete die Produktion der Bänke bzw. deren Einzelteile bei der Firma Tanner.
Diese erlaubte uns, Arbeiten vor Ort zu erledigen. So konnten die Kosten für den DVZO möglichst tief gehalten werden. Schlussendlich waren während fünf Wochen Vereinsmitglieder vor Ort und durften die CNC-Maschine bestücken, Holzplatten zurechtschneiden, Teile entgraten etc. Das Resultat kann sich sehen lassen: Es entstand Rohmaterial für 24 Doppelbänke und 12 Einzelbänke. Auch der letzte vorhandene Stauraum im Depot ist nun bis unter die Decke belegt. Nochmals herzlichen Dank an die Firma Tanner für dieses Entgegenkommen.
Nachdem die Teile in Bauma ankamen, startete die Bankmontage in unserer kleinen Schreinerei im hinteren Teil des Depots. Wie sich herausstellte, hat alles gepasst und die erste Sitzprobe durch unseren Holzwurm konnte bereits im April 2024 stattfinden.
Aber was wäre eine rekonstruierte Inneneinrichtung ohne den grünen Aussenanstrich? Deshalb wurden im Sommer 2024 die roten Seitenwände angeschliffen. Dafür wurde jeweils der Wagen aus dem Depot gezogen, um die anderen Fahrzeuge im Depot vor einem roten Schleier zu bewahren.
Am 12. Oktober war es dann so weit, das erste Mal seit zig Jahren erstrahlt ein 2-Achswagen der ehemaligen Bodensee Toggenburg Bahn (BT) wieder in grün.
In den folgenden (Winter-) Monaten können nun die Aussenanbauten wie Sicherungsgeländer montiert werden. Diese erlauben es, die Fahrt auf der Plattform zu geniessen, was bisher an den Fahrsonntagen nur auf dem Fz 203 möglich war. Auch Leisten oder Notbremslösezüge müssen noch montiert und das Dach saniert werden. Die Beschriftung des Wagens erfolgt dann im nächsten Frühling.
Im Innenausbau lässt sich bereits erahnen, wie es nächstes Jahr aussehen wird, wenn der Wagen nach vier Jahren Revision wieder dem Betrieb übergeben wird. Bis es so weit ist, müssen die fleissigen Mitglieder jedoch noch manche Stunde investieren, um die noch ausstehenden 10 Doppel und 4 Einzelbänke samt Hutablagen herzustellen. Auch die elektrischen Heizungen und Lichter müssen noch angeschlossen werden und nicht zuletzt noch der Batteriekasten.
Wann der Wagen das erste Mal im Einsatz stehen wird, erfahren Sie zu gegebener Zeit auf unserer Homepage.
Um einen Blick in die Sterne zu wagen: Ein nächstes Projekt könnte der Bruder des C422, der Howa (Hochzeitswagen) sein. Zusammen mit dem C422 wurde auch der Howa an der Generalversammlung auserwählt wieder in den Ursprungszustand gebracht zu werden. Um diesem grossen Schritt etwas näher zu kommen, haben wir bereits bei der Interieurbeschaffung (Bänke, Hutablagen und Armlehne) für den C422 die doppelte Stückzahl bestellt, um von den Synergieeffekten zu profitieren. Somit steht einem weiteren Umbau eines Amor Express Wagens in einen Historischen C2 der ehemaligen BT nichts im Weg, bis auf das gefüllte Kässeli. Wir freuen uns also auf Spenden für dieses nächste Projekt!
Text und Bilder: Marcel Keller und Michael Bollmann, Wagentechnik Bauma